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UTOPIA STATION Sindelfingen
2003/4

Was der UTOPIA STATION in Sindelfingen vorausging und warum wir sie eingeladen haben.

In der Eingangshalle der Grundschule Gartenstraße in Sindelfingen fiel der Blick im Frühjahr 2003 auf eine von den Schülern selbst gezeichnete Europakarte, mit Markierungen hier und da, Richtungspfeilen, wo sichtlich die Karte weitergehen sollte (z.B. Russland, Schwarzes Meer), mit heftigsten Kratzspuren und Übermalungen im Bereich des Balkans. Diese Karte ist zurzeit in der Galerie der Stadt ausgestellt (Erdgeschoss, Ausstellungsraum Nordseite), zusammen mit einer interaktiven Computerinstallation zum Kommunikationsprozess des weltweiten Jugendfotoprojekts
‚IMAGINE – Your photos will open my eyes’ .

Neben den Originalfotos der Sindelfinger Schüler (Erdgeschoss, Ausstellungsraum Südseite) hängt ein Blatt mit dem Aufdruck: „IMAGINE PEACE“, mit dem gleichen Text bunt überstempelt. Dieses Blatt stammt aus einer Performance von YOKO ONO auf der UTOPIA STATION der BIENNALE VENEDIG im Sommer 2003, wo sie einen zentralen Raum mit Weltkarten tapeziert hatte und die Besucher anregte, die ausliegenden 'IMAGINE PEACE'-Stempel zu benutzen. Und wohin haben die Besucher ihre Botschaft gestempelt? Auf die Orte, mit denen sie sich verbunden fühlten! Sie haben sich nicht anders verhalten als die Grundschüler aus der Sindelfinger Gartenstraße: Auf die Frage, warum sie auf ihrer Karte so vehement, wieder und wieder den Balkan markierten, bis die Karte hier schwarz und löchrig wurde, kam aus Schülermund die prompte Antwort: Da komm´ ich doch her! Ich will, dass dort Frieden ist!

YOKO ONO, Künstlerin und Schirmherrin des Sindelfinger ‚IMAGINE’-Projekts, zeigt mit ihrer Biennale Performance einmal mehr, wie sich das Leben in der Kunst niederschlägt. Ihr Originalplakat auf weißem Grund mit der schwarzen Aufschrift „IMAGINE PEACE“ hängt in der Sindelfinger UTOPIA STATION.

Das Utopia Station PROJECT, angelegt als langfristige Recherche, traf auf die Erwartungshaltung unserer eigenen Arbeit in Sindelfingen; begonnen mit den Ausstellungen und Vorträgen zu ,1Site - 2 Places’, 2001/2.

Ein weiterer Wegbereiter für die Sindelfinger UTOPIA STATION ist das Bild (Treppenaufgang zum 1. OG) des weltberühmten Fotografen DAVID DOUGLAS DUNCAN: Die ‚GESPENSTER VON SINDELFINGEN’ aufgenommen am 21. Juni 1955. Die Geschichte dieses Bildes, bei dem ein Mercedes-Benz 300 SL Coupé in höchster Geschwindigkeit um den Schaffhauser Platz in der Sindelfinger Altstadt rast, sodass nur noch ein kometenhafter Schweif das Auto bezeugt, ist atemberaubend. Duncan berichtet, dass Arthur Kessler glaubte, ich sei verrückt geworden. Er war in dessen Pressebüro in den riesigen Daimler Benz-Werken gekommen und hatte ihm erklärt, dass er den schnellsten Wagen mit dem besten Renn-Test-Fahrer brauchte und die Polizei die Straßen absperren sollte. Außerdem brauchte er einen Techniker, der für den Fahrer die richtige Geschwindigkeit berechnen musste, mit der er, während einer Belichtungszeit von einer halben Sekunde, über eine Strecke von 30 Metern raste. Die Werksleitung unterstützte Duncans Anliegen und bat Wilfert, der den 300 SL entworfen hatte und den Mechaniker Hitzelberger, der in Handarbeit die Prototypen sämtlicher Sportwagen anfertigte, mit dem Künstler zusammenzuarbeiten. Und auf ging’s – in das Herz von Sindelfingen.

Dieses inszenierte Foto der Sindelfinger Gespenster ist das einzige Bild aus Deutschland in dem Buch: ‚ Yankee Nomad: A Photographic Odyssey’ von Duncan, der in seiner Spätzeit zum Leibfotografen Picassos wurde. Da in Sindelfingen keine Originalquellen erhalten waren, haben wir das Bild in mühevoller Detailarbeit rekonstruiert. Nach fast einem halben Jahrhundert lässt die prekäre Schönheit staunen – die augenblickliche Dynamik des automobilen Schweifes versetzt die (statische) historische Umgebung in eine prekäre Spannung.

In Sindelfingen trifft die UTOPIA STATION auf einen Ort, den der unvermittelte Zusammenprall von Geschichte und Gegenwart wach hält. So verwunderte es nicht, in Venedig 2003, der ersten großen Ausstellung der ‚Utopia Station-Familie’, auf einen Künstler zu stoßen, der in Sindelfingen aufgewachsen ist, Tino Sehgal (sein Vater war als Mitarbeiter der IBM jahrelang in der Region tätig). Für Sehgal heißt die Erinnerung an diesen Ort: PRODUKTION!, so überwältigend für ihn, dass er sich den Künsten zuwandte. Er wollte nicht an der gesellschaftlichen Produktion von Gütern teilnehmen – wozu natürlich auch das materiale Kunstwerk zählt – er wollte etwas machen, das sich aufbaut und gleich wieder abbaut. Dieser Gedanke führte ihn dazu, sich auf Arbeiten zu konzentrieren, die ihre Darstellung in Handlungen finden. Unter dem Titel: ‚PRODUKTION / DEPRODUKTION’ empfängt den Besucher der Ausstellung daher nicht ein materiales Werk, sondern ein von Sehgal instruierter Galeriemitarbeiter, der ihn persönlich mit Worten begrüßt und das Werk darstellt. Es handelt sich um Sehgals ‚Plakat’ für die Sindelfinger UTOPIA STATION, ein Plakat, das nicht existiert.

Deproduktion heißt also nicht, wie oft fälschlich interpretiert, das ‚Nichts’ zu wollen, sondern die menschliche Begegnung ins Blickfeld zu rücken. Und dies auf geradezu archaische Weise, mit einfachen Sätzen, meistens tautologisch das betreffend, was so wie so schon in der Luft liegt. So beginnen viele Arbeiten Sehgals mit den Worten: „ This is ...“.

So auch auf der UTOPIA STATION in Venedig, wo Seghal für italienisches Wohlbefinden sorgte. Es war heiß, der Gesang einer Frau ließ aufhorchen und es ertönte aus allen Ecken. Der Gesang war angenehm, die Worte klangen mit. Dazwischen plötzlich eine laute Männerstimme (des französischen Philosophen Bruno Latour, der sich gestört fühlte, als er seinen Vortrag beginnen wollte): „Aufhören! Dies ist keine Propaganda!“ Erst dann nahm ich wahr, dass die Frauen mit den schönen Stimmen (sie waren als Wärterinnen gekleidet) immer nur einen Satz sangen: „ This is Propaganda “. Und was ist nun Propaganda? Das Berlusconi-Italien heute? Die UTOPIA STATION Venedig? Unterschwellig schrieb sich das Erlebte ins Bewusstsein ein und trieb es um.

Auch Natascha Sadr Haghighian, mit der Region vertraut, hat bereits an der Venedig Biennale teilgenommen. Ihr auf den ersten Blick poetisch harmlos wirkendes Plakat zeigt einen Swimming Pool, in dem allerlei Unrat liegt, mit der Aufschrift: „PRESENT BUT NOT YET ACTIVE“. Es ist die Umsetzung einer beklemmenden Erfahrung der Künstlerin, die einige Monate vor der Eröffnung der Biennale durch das Ausstellungsgelände streifte, wo sich alle zwei Jahre, für wenige Monate, die internationale Kunst trifft. Viele in Italien Gestrandete hatten zwischenzeitlich in den Pavillons und den umliegenden Gärten eine Bleibe gefunden.

In der UTOPIA STATION Sindelfingen stellt Natascha Sadr Haghighian zudem einen Trailer ihrer neuen Arbeit ‚EMPIRE’ vor. Angestoßen durch das viel diskutierte Buch von Michael Hardt und Antonio Negri: ‚EMPIRE - Die neue Weltordnung’, setzt sie sich zusammen mit weiteren FilmemacherInnen mit der schier unmöglichen Situation auseinander, geldwirtschaftliche Ströme und ihre Auswirkungen zu verstehen. „Die viel leichter erfassbaren Ströme von stofflichen Gütern, wie z.B. Rohstoffen, schieben sich als Bild vor eine finanzpolitisch motivierte, entstofflichte Struktur. Die Diskussion um die Konflikte und Krisen dieser Zeit wird dadurch von den falschen (Bild)Motiven bestimmt. Das lässt sich am Beispiel des Irakkrieges deutlich sehen. Die eigentlichen Gründe für den Krieg“, so Natascha, „hängen mit einer finanzpolitischen Krise zusammen, die sich seit den siebziger Jahren immer weiter zugespitzt hat. Das Video versucht eine Bildkorrektur“ und beginnt sehr konkret mit der Geschichte, ein Barrel Öl kaufen zu wollen.

Sadr Haghighian hat an der Universität der Künste Berlin bei Katharina Sieverding studiert, die 1995 mit ihrem Bild „Deutschland wird deutscher“, heute im Kunstbesitz der Bundesrepublik, in Sindelfingen die Gemüter bewegt hat: „Ein Selbstporträt am Messerbrett“, schrieb Sybille Schurr am 7. November 1992 in der Sindelfinger Zeitung zur Ausstellung der Sieverding-Bilder im Oberlichtsaal – „ein finanzielles Wagnis geht der Verein Kunst + Projekte mit dieser Ausstellung ein, Sponsorengelder fehlen“.

Was heißt UTOPIA STATION?

Die UTOPIA STATION versteht sich als Künstlergemeinschaft, die um die Welt reist und mit ihrem Ideengut an verschiedenen Orten Halt macht, wenn Interesse und Notwendigkeit bestehen. Das Neue und Unerwartete jeden Halts wird in den Fundus integriert und begleitet fortan die Station. Es ist eine internationale Plattform für Dialoge (the Meeting of Minds), die auf vielfältige Weise Ausdruck finden: in Installationen, Inszenierungen, Filmen, Performances, Vorträgen, Gesprächen, Essen, Plakaten, etc.

Jeder zur UTOPIA STATION nach Venedig geladene Künstler war angehalten, ein Plakat zum Thema Utopie zu machen. Bisher gibt es 159 Entwürfe, von denen 139 gedruckt sind. Es sind Bilderschriften, die aus dem Leben erzählen, mit mehr oder weniger verdeckten Botschaften. Die Plakatedition ist Kondensationskern für die vielschichtige Auseinandersetzung mit utopischen Vorstellungen in einer globalisierten Welt.

Sindelfingen hat für die UTOPIA STATION einen Campus aufgeschlagen mitsamt allen Plakaten und dazu den aus der Region stammenden Künstlern, Tino Sehgal und Natascha Sadr Haghighian, wie bereits gezeigt, eine eigene Präsentationsplattform gegeben. Des Weiteren hat sie zwei Künstler eingeladen, Michael Beutler aus Berlin, der mit seinen raumgreifenden Installationen in der Galerie den UTOPIA STATION Campus Sindelfingen als Ausstellungsort prägt und Ross Birrell aus Glasgow, der die literarische Tradition der Reisesatire sehr konkret in Aktion versetzt.

Im Erdgeschoss des Rathaus / Galeriegebäudes, heute von ´absoluter` Symmetrie mit 'White Cube'-Mentalität, hat Michael Beutler für die UTOPIA STATION Sindelfingen ein leichtes unpathetisches Entree eingerichtet: TAPEZIERTISCHFOYER. Ein Gefüge aus mehreren Dutzend Tapeziertischen sorgt für Orientierung: hier die i-Punkt Koje mit den Informationsmaterialien, dort der Toreingang zur Galerie, offene Wegführung zu den Ausstellungsräumen im Erdgeschoss; eine breit gelagerte Säule verdeckt den Boteneingang. Das Ganze hat den Charakter des Vorübergehenden, vergurtet, verkeilt und gibt sich doch wohl proportioniert – nicht unelegant die hölzernen Paneele, das filigrane Gestänge mit den kleinen Ledermanschetten. Es bringt Assoziationen ins Spiel (die die verblendete Innenarchitektur der Galerie gar nicht mehr aufkommen lässt) von einer feingliedrigen Gewölbekonstruktion, die einst die Eingangshalle des Rathauses geprägt haben mag (im Büro der Galerie noch erhalten).

Unter der Vorstellung, dass die STADT einst als gesellschaftliches Kunstgebilde entstanden ist und im Rathaus das städtische Zusammenleben ‚organisiert’ wird, kommt der Galerie heute im ersten Rathaus der neuen Zeit besondere Bedeutung zu. Wie das Gebäude einst strukturiert und organisiert war, darüber hat Michael Beutler im Stadtarchiv kaum etwas gefunden: Erst habe ein Brand, dann der Galeriearchitekt J. P. Kleihues die historischen Spuren bereinigt (der schönen hölzernen Treppe weint der Schreinermeister heute noch nach!). Historisch belegt ist einzig der Anspruch, den die Bürger Sindelfingens mit diesem Bau verknüpften: Der „Steinbau im neuen Stil“ hatte Mitte des 19. Jahrhunderts viel Geld gekostet, 8 000 mehr als der Voranschlag von 28 000 Gulden. Bei der Einweihung 1843/44 rechtfertigte Stadtschultheiß Conz diesen hohen Preis mit den Worten: “Wenn man uns den Vorwurf machen wollte, dass wir vielleicht zu großartig gebaut hätten, so möge man bedenken, dass wir nicht auf eine kurze Zeit, sondern auf Jahrhunderte hinaus für viele Geschlechter gesorgt haben, dass einem Gebäude, welches eine so wichtige Bestimmung hat, wohl eine derselben angemessene Ausgestaltung zukommt.“

Die ersten sechs Plakate der UTOPIA STATION (im Erdgeschoss), merklich anders gehängt als die Werbeträger auf der angrenzenden i-Punkt-Plakatwand, zeigen Beutlers nächsten Zugriff: die Installation der Plakate mit der ‚SCHABLONE FÜR DIE UTOPIA STATION SINDELFINGEN’.

Im Haus der Kunst in München, das zeitgleich die Plakate aus Venedig als Auftakt für eine eigene UTOPIA STATION München 2004 zeigte, waren die Plakate in drei Reihen übereinander als fortlaufender Fries zu einem zusammenhängenden bunten Bilderband gefügt. Dieses Gemeinschaftsmosaik nahm den Einzelplakaten die Luft zum Atmen.

Beutler ging anders vor, er konstruierte eine Schablone, die als rhythmisches Grundmuster für sechs Plakate flexibel handhabbar ist. Ein raffiniertes Layout, das den Charakter des Einzelplakats wahrt unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Gemeinschaftsblocks. Wenn man die Ausstellung im ersten Obergeschoss der Galerie abschreitet, vorbei an den vielen bunten Bildern/Plakaten, spürt man intuitiv eine Ordnungsstruktur, die das Einzelbild hält, wie auch seine Beziehung zu den benachbarten spielen lässt. Der Plakatblock als Ausdruck einer gemeinsamen Aktion bleibt erhalten.

Seinen Höhepunkt findet dieser ‚Bilder-Boogie’ im Hauptsaal, dem früheren Ratssaal, in dem Beutler im Mittelbereich unterhalb der gerasterten Leuchtdecke die ‚ALUMINIUMDECKE II’, eine Zwischendecke aus Aluminiumbahnen eingezogen hat. Wiederum eine sehr leichte Konstruktion, bei der gebrauchsfertige Küchenfolie über Tesafilmstreifen zur Festigung von Wand zu Wand ausgerollt ist. Eine einfache, wie elegante Lösung, die grelle Leuchtdecke auszublenden und dabei einen Bereich der Ruhe in der Raummitte zu schaffen (der bestuhlt ist und zum Innehalten für Gespräche einlädt), wie den Betrachter aber auch aufzufordern, auf die Bilder zu zugehen, um die hoch gehängten und aus Sicht der Raummitte angeschnittenen Plakate vollständig sehen zu können.

Die Lust am Spiel mit den Gegebenheiten, sich auch dem Reiz des Abstrusen nicht zu verschließen, zeigt Beutlers Inszenierung des extravagant oktogonalen Galerieanbaus (von J.P. Kleihues 1991 über einen Steg mit dem Hauptgebäude verbunden) mit überdimensionalen ‚KARTONWICKEL’n. Zur Herstellung dieser Gebilde hat er eine Vorrichtung mit großer Kurbelwelle gebaut, um Kartons unterschiedlicher Formate (ausgedientes Verpackungsmaterial) mit weißer handelsüblicher Fermentierfolie aus der Landwirtschaft zu riesigen Kokons zu wickeln.

Die Vorrichtung hat keinen Startknopf und keinen Motor, die die Arbeit unabhängig vom Menschen erledigt. „Mir ist die Tätigkeit des Menschen sehr wichtig“, betont Michael Beutler, „die Skills, die man beim Produzieren entwickelt, die Spuren, die man hinterlässt und das absehbare Ende, das von den Grenzen des jeweiligen Raumes bestimmt wird. Es ist nicht eine Massenproduktion für die Überschwemmung des Marktes. Es geht um die Überschwemmung des Raumes und damit hat es sich. Sonst würde der große Spaß in unendliche Frustration umkippen“.

Betrachtet man den aufwendigen Arbeitsprozess: Sammeln der Kartons (im Zeitalter organisierter Altpapierverwertung voller Überraschung!); Wiederauffalten der Kartons; Kurbelmaschine konstruieren etc., bleibt das Staunen bei so viel Aberwitz und Narretei nicht aus. Wie argumentierte doch Erasmus von Rotterdam (geistiger Führer der nordischen Renaissance) in seinem Buch: ‚Lob der Narrheit’ (1509): Narretei, Hässlichkeit und Heiterkeit haben einen Platz im Leben.

Doch Michael Beutler ist Realist genug, die gesellschaftlichen Verhältnisse aus dem Blickwinkel der Natur ins Auge zu fassen. So mag der Raum auch an die zerklüfteten Täler der Erwerbsgesellschaft erinnern, die sich in der Krise der Wohlstandsgesellschaft gebildet haben.

„5 November 2000. A Copy of Thomas More’s Utopia is gifted to the United Nations, New York.“ hat Ross Birrell einer im Blau der Vereinten Nationen getönten Wand im Treppenhaus der Ausstellung eingeschrieben, begleitet von Fotos, die die Übergabe eines Exemplars des berühmten Buches an die Institution in New York dokumentieren. Nach einer Reise, vorbei an Monumenten von Utopien (festgehalten in einem Video), hat er den Vereinten Nationen das Buch geschenkt, nachdem seither die literarische Gattung der Utopie benannt ist. Angeblich hat More, der mit Erasmus von Rotterdam befreundet war, im humanistischen Umfeld von Antwerpen den Seemann getroffen, der ihm Nachricht von der weit entfernten Inselgesellschaft gab, die er in seinem Buch ´Utopia` beschrieben hat.

Daran zu denken lässt die Utopie als Wesen des Humanismus aufleuchten, Bedeutungshorizont für die UTOPIA STATION Sindelfingen, wie für die einzelnen Plakate gleichermaßen. Nachdem uns die weiten utopischen Entwürfe kein aufgeklärtes Zeitalter beschieden haben, ist der Weg frei für die vielen kleinen Utopien (Utopics), für einen Diskurs, zu dem auch eine Hightech Forschungs-Arbeitsgruppe der Automobilproduzenten mit ‚UTOPIA PRODUKTION’ (dazu ein Plakat in der Ausstellung) herausfordert.

„Hat Utopie etwas mit Aufklärung zu tun?“ fragte ich Roman Janssen nach seinem Vortrag auf der UTOPIA STATION Sindelfingen: ‚Das Morgenland als abendländische Utopie? Wie die Universität Tübingen um 1580 den Patriarchen von Konstantinopel zu Luther bekehren wollte und was Salomon Schweigger dabei erlebte’. Janssens Antwort: „Als Vorläufer sicher“.

Fragen wir also weiter angesichts der unterschiedlichen Plakate, der vielen utopischen Vorstellungen (Utopics) von Künstlern aus aller Welt. Wie steht es heute um „die alte Tante Aufklärung“? „Sitzt, passt, wackelt und hat Luft“, antwortete Alexander Kluge kürzlich. Sein Motto: „Wage es dich einzufühlen. Wage die Empathie (...) Beobachte, merke, dass du sie längst hast“.

Ingrid Burgbacher-Krupka


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UTOPIA STATION Sindelfingen, 2003/4
 
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