KUNST+PROJEKTE
Sindelfingen e.V., Germany - seit since 1989
eine Kooperation mit der Galerie der Stadt Sindelfingen —> und Staatliche Hochschule für Musik Trossingen —>
Galerie der Stadt Sindelfingen
Marktplatz 1
71063 Sindelfingen
Tel. +49 (0) 7031 943 25 Anfahrt
Für die Räume der Galerie der Stadt Sindelfingen haben Tina Bara und Alba D’Urbano das Ausstellungsprojekt: !Perla_MIseria! entwickelt.
Ein Projekt zweier Künstlerinnen, die sich im Rahmen ihrer Lehrtätigkeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Tina Bara als Professorin für Fotografie, Alba D’Urbano als Professorin für Intermedia kennengelernt haben (sozialisiert in zwei unterschiedlichen politischen Systemen und Kulturen – DDR bzw. Italien –, die Einfluss auf ihr politisches Menschsein als Künstler genommen haben).
Seit 2003 realisieren sie gemeinsam künstlerische Projekte; seit 2011/2012 arbeiten sie an einem Ausstellungsprojekt, welches erstmalig mehrere Werkgruppen vereint. 2011 fand eine erste Präsentation im Oberösterreichischen Landesmuseum in Linz statt, eine Zweite dann im Haus am Kleistpark in Berlin. Die Dritte ist jetzt in Sindelfingen zu sehen. Die Ausstellung wird von den Künstlerinnen vor Ort installiert, wobei in jeder Präsentation andere Schwerpunkte mit neuen Arbeiten gesetzt werden. Die Ausstellungsreihe wird von einem in Kürze erscheinenden Katalogbuch begleitet.
Zur Positionierung der Künstlerinnen im ‚babylonischen Sprach- und Stilgewirr‘ der heutigen Kunstwelt: Sie greifen zur narrativen Struktur, erzählen Geschichten mit stark autobiografisch geprägtem Charakter, die sich in der gemeinsamen Arbeit reiben. Die Biografie bietet zwar keine verbindlichen formalästhetischen Kriterien (all zu oft vorherrschend in der heutigen Kunstbetrachtung!), aber sie kann etwas sehr Wichtiges bieten, nämlich der Frage nach der künstlerischen Motivation nachzugehen, die sich im Falle des Künstlerduos Bara/D’Urbano „aus einem gemeinsamen Interesse für den (meist weiblichen Körper) als Matrix gesellschaftlicher Einschreibungsprozesse und als mediales Display entwickeln“ (Bara/D’Urbano).
Gestalterisch bedienen sie sich vor allem der Neuen Medien, Video/Film und Fotografie (das Video greift die Bewegung auf, die das Standbild festhält) unter Einbeziehung skulpturaler und malerischer Elemente, wie der installative Parcours durch Einzelprojekte und Werkgruppen in der Ausstellung zeigt. Zu jeder bildnerischen Arbeit gibt es einen Begleittext der Künstlerinnen. Ein verbaler Schritt auf die Betrachter zu – eine Art Off-Stimme wie im Film.
Beide Künstlerinnen arbeiten methodisch unterschiedlich, Alba D’Urbano mit psychologischem Impetus, Tina Bara (in teilnehmender Beobachtung) mehr soziologisch orientiert. Konkret erfahrbar in ihrem Umgang mit dem Körper: Alba D’Urbano hinterfragt geschlechtsspezifische Normen, wie z. B. in Bellisima (in Anlehnung an den gleichnamigen Film von Visconti, 1952), Tina Bara rollt wie z. B. in Covergirl gesellschaftspolitische Zusammenhänge auf. Erstaunlich zeigt sich in der diskursivenZusammenarbeit die „changierende Identität“ (Bara) beider Künstlerinnen, wenn Tina, wie auf dem Ausstellungsplakat, eine Performance mit dem Objekt Hautnah von Alba macht.
In den komplex miteinander verwobenen Ebenen der gemeinsamen Arbeiten werden sowohl inhaltlich als auch formalästhetisch Referenzen deutlich: An das italienische Kino der frühen Nachkriegszeit mit seinen expresssiv elaboraten Bildern (Visconti, Antonioni); an feministische Positionen und Körper-strategien der 1960 und 1970er Jahre (z. B. bei Joan Jonas); an die utopische Kraft der politischen Kultur der Frauenbewegungen (die intensive Medienreflexion bezieht Impulse aus der 68er Bewegung).
Die gemeinsame Arbeit (in der man sich der Debatte um das eigene Selbstverständnis öffnet und sich gegenseitig porträtiert) ist nicht nur Reflexionsgewinn, sondern dient auch Gefühlen (den Zugang zu den eigenen Gefühlen zu finden) und spart jene Ambivalenzen nicht aus, die der Kunst eigen sind. ibk
Mit freundlicher Unterstützung:
2012
„!Perla_Miseria!“
„!Perla_Miseria!“ ist das Resultat eines Wortspiels: Im Italienischen ist „Per la miseria!“ ein geläufiges Schimpfwort, im Sinne von „So ein Mist!“ Zusammengezogen ergibt sich eine ironisierendes Kontrastpaar, das auch im Deutschen verständlich ist: Perlen-Misere. Weiter assoziiert weist das Begriffspaar auf die Themenkomplexe der Künstlerinnen: Schönheit - Hässlichkeit, Reichtum – Elend sind immer mit sozialen und politischen Prozessen und körperlichen Repräsentationen verkoppelt.
In diesem Zusammenhang thematisieren Tina Bara und Alba D’Urbano unterschiedliche Bereiche, die mit der Konstitution und dem medialen Umgang von und mit (weiblichen) Körpern zu tun haben. In den ausgestellten Arbeiten finden sich Verbindungen zum Sport und zur Politik, zu Disziplinierung, Kontrolle und Überwachung, aber auch zu selbst bestimmten oppositionellen Strategien des Spiels.
Disturbo Mentale: Evil Nails, 2011
Die Bilder und Videos formulieren im Gegensatz zur massenmedialen Visualität eine Art Gegenentwurf bzw. arbeiten mit Verschiebungen hinsichtlich der portraitierten „Oberflächen“ und Handlungen. Dabei verbindet das Künstlerinnenduo dokumentarische Strategien mit performativen Bild-Inszenierungen, narrative mit konzeptuellen Elementen, dazu kommen Text- und Soundebenen, die auf spezifische biografische und gesellschaftliche Kontexte verweisen. Im Zusammenhang mit den jeweiligen Themen wird das Individuelle im Biographischen mit allgemeinen zeitgeschichtlichen Fragestellungen ins Verhältnis von Erinnerung und Gegenwart, sowie darin enthaltenen utopischen Assoziationsmomenten gesetzt.